Eine Geschichte aus dem Schulalltag (von Jonathan): In der dritten Schulwoche sollte ich bei einem Gespräch mit einer Familie dabei sein. Die Familie stammte aus Puerto Maldonado (Stadt im Regenwald, etwa 11 Autofahrstunden entfernt) und hatte ihre zwei kleinen Kinder an der Schule angemeldet. Vor einiger Zeit war der Vater des Mannes im Hospital als Patient und sie haben dabei von der Schule gehört und waren so begeistert, dass sie sich entschlossen, ihren Lebensmittelpunkt nach Curahuasi zu verlegen.
Die Familie wirkte sehr gut organisiert, sehr nett und vertrauenswürdig. Sie wollten gerne noch ein drittes Mädchen anmelden. Dieses stammt aus einer großen Familie, die in sehr armen Verhältnissen im Regenwald lebt. Das Mädchen hatte die vierte Klasse nicht gemacht, um zuhause auf ihre Geschwister aufpassen zu können. Sie stand kurz vor ihrem 14. Geburtstag, sollte aber bei mir in die siebte Klasse kommen, da ihr Einstufungstest gezeigt hatte, dass sie akademisch auf einem deutlich niedrigeren Niveau war. Unter vielen Voraussetzungen nahmen wir sie auf.
Für mich war das eine enorme Motivationsspritze, weil mich die ersten Wochen als Klassenlehrer ein Stück weit desillusioniert haben und meine Motivation von verschiedensten Problemen aufgefressen wurde. Mich beeindruckte die Opferbereitschaft der Familie, wegen der Schule nach Curahuasi zu ziehen und ihre Nächstenliebe, einem armen Mädchen die Chance ihres Lebens zu ermöglichen. Ganz besonders für solche Kinder wollte ich auf Spanisch unterrichten können.
Vor einer Woche erfuhr ich, dass die Familie wieder weggezogen ist. Der Mann ist Eventmanager und alle seine Kontakte sind in Puerto Maldonado. Er und auch seine Frau (!) waren daher zwei Wochen lang zum Arbeiten nach Puerto Maldonado zurückgekehrt und hatten ihre zwei kleinen Kinder und das dreizehnjährige Mädchen zurückgelassen. Das Mädchen musste auf die Kinder aufpassen, für sie kochen und sich um alles kümmern. Es gab in dieser Zeit nur Suppe zu essen und eines der kleinen Kinder hat so schlimm in die Steckdose gefasst, dass überlegt wurde, den Finger zu amputieren.
Es fand ein Gespräch mit den Eltern statt, in dem deutlich gemacht wurde, dass sie sich entweder eine Arbeit vor Ort suchen müssten oder die Kinder wieder nach Puerto Maldonado mitzunehmen haben, da sie bereits geplant hatten, immer wieder für zwei Wochen zum Arbeiten weg zu gehen. Ansonsten müsse man sie anzeigen. Leider hat die Familie daraufhin unter Tränen ihre Sachen gepackt und ist wieder nach Puerto Maldonado zurückgekehrt.
Als mir von dem Gespräch erzählt wurde, wurde mir schlagartig klar, dass es sich bei der „Adoption“ der Dreizehnjährigen nicht um einen Akt der Nächstenliebe handelte. Sie wollten lediglich ein Kindermädchen haben. Ich habe danach echt an meiner Menschenkenntnis gezweifelt, weil die Familie einen so guten Eindruck auf mich gemacht hatte.
Mir tat es auch sehr für das Mädchen leid, weil sie sich innerhalb von wenigen Wochen von einer sehr schüchternen zu einer sehr offenen und witzigen Schülerin entwickelt hat. Ihre Mitschüler waren genauso traurig wie ich, als ich ihnen mitteilen musste, dass sie nicht wiederkäme.
Das Colegio bietet vielen Kindern der Region die Chance ihres Lebens, aber leider muss man immer wieder spüren, dass auch unsere Möglichkeiten stark begrenzt sind. Bitte betet dafür, dass das Mädchen die biblischen Impulse mitnimmt und selbstständig weiter nach GOTT fragt.
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Elisabeth (Dienstag, 07 Mai 2019 11:08)
Ja dafür werde ich auch beten.
Aber wer weiß....
Umarmung